belledejour
 

 
Sonntag, 25. Januar 2004
Manchmal ist mein Leben eine Drehbuchfolge von "Sex and the city" die schon im Vorfeld abgelehnt wurde

Eine Freundin, nennen wir sie mal M., ist Mitte 30. Sie ist die typische Mitte-dreißig-Berlin-Mitte-Zwei-Zimmer-Küche-Bad-Trainingsjacken-Frau. Sie holt sich ihren Latte-Macchiato-Extra-Milk-Candy bei Starbucks, geht im "Weinstein" essen und hält Männer für nützlich, aber ein wenig unpraktisch. Sie arbeitet viel, hat einen Laptop, die SZ und den Spiegel im Abo, einen DVD Player nebst riesiger DVD Bibliothek. Sie sagt, dass sie fett wird, was nicht stimmt. Sie sagt, dass ihre Brüste schlaff werden, was stimmt. Deswegen geht sie zu "Kieser" und trainiert die Muskulatur drumherum. Sie ist viel alleine, was ihr nichts ausmacht. Ich mag sie sehr, weil sie sagt, was sie denkt und weil sie mir nicht unähnlich ist, was Freundschaften ja immer etwas bequemer macht.

Letzte Woche allerdings, da dachte ich, ich bekomme einen Pfefferminzschlag. Um bei den Klischees zu bleiben: Typische Berlin-Mitte-Geburtstagsparty. Hübsche Wohnung, Holzfußboden, weiße Einrichtung, Alu-Dunstabzugshaube in der Küche, Bilder von unterernährten Berliner Malern an der Wand, viele Röcke und Anzugshosen anwesend. Geschnatter über Budgets, Ski-Urlaub, Auftragslage, Älter werden. Dann Auftritt M., im Schlepptau ein Mensch mit Parka auf dem "Punk" steht, eine riesige Hornbrille auf der Nase, fettige Haare. M. giggelt rum, stellt den Parka in die Ecke und zieht mich erst mal in die Küche.
- Ist der nicht süüüüß!
Gut, so Anfälle kenne ich. Von mir, von ihr, von allen Frauen. Irgendwann treffen wir einen merkwürdigen Menschen, der merkwürdige Musik hört, der merkwürdige Bücher liest, merkwürdige Sachen sagt, merkwürdige Klamotten trägt und fettige Haare hat. Wir sind verzückt von all den Merkwürdigkeiten, davon, dass er so anders ist, dass er so glänzende Augen bekommt, wenn ein 80er Album vom "Caspar Brötzmann Massaker" auflegt. Wir trinken dann schnell noch was Alkohol und finden es nett, die Nacht auf einer alten, dreigeteilten, 90cm Matratze zu verbringen, auf der schon vor dem Krieg Kinder gezeugt wurden. Romantisch.

M. plappert mir das Ohr voll. Wo sie ihn her hat usw. Parka wiederum nach 10 Minuten das in der Ecke stehen leid und nippt an einer Weißeweinschorle und stellt sich zu uns. Ich bin entsetzt, denn Parka ist jung. Sehr jung. Ungefähr 22. Auf seiner Wange kräuseln sich ein paar einsame Barthaare. M. lässt mich mit ihm kurz alleine. Na, so viel älter bin ich ja nun auch nicht, lüge ich mir vor, und versuche eine Unterhaltung. Dabei dachte ich, dass Kino kein Fehler sein kann. Nachdem ich mir einen halbstündigen gemurmelten Monolog über die koreanische Filmindustrie angehört habe, weiß ich, dass es ein Fehler sein kann. Ich nicke, versuche wenigstens auf europäischen Film zu kommen, da ich doch mal im Studium für ein Filmföderungsbüro gearbeitet habe und zu der Zeit auch ungarische Landtragödien gegangen bin. Leider Fehlanzeige. Der europäische Film sei tot, erfahre ich, Film überhaupt sei tot, es werde in Zukunft nur noch Mangas geben. Aus Korea.
Ach so, denke ich, der nimmt mich auf den Arm. Ich nicke ernst und sage, dass ich ihm zustimme, aber glaube, dass die Vietnamesen da in Zukunft die Welt regieren werden. Er schaut mich fassungslos an, ich sage leise "Nicht?" und muss furchtbar anfangen zu lachen. Er dreht sich um und geht.
Fünf Minuten später steht M. wieder vor mir. Rüffelt mich, weil ich unhöflich war. Ich sage ihr:
- Wenn ich unfreundlich gewesen wäre, dann wäre der Parka jetzt nicht mehr auf dieser Party. Und was in Gottes Namen willst Du mit dem??? Sag mir jetzt nicht, dass er gut im Bett ist!"
- Isser aber
- Er ist jung, da kann man nicht gut im Bett sein
- Isser aber
- Erzähl mir nix
- Doch
- Behält er den Parka im Bett an?
- Du bist eine blöde Schlampe
- Das beantwortet nicht meine Frage
- Anne, Du bist neidisch
- Ich bin waaaas? Auf den Parka?
- Nenn ihn nicht immer Parka, er heißt Tobias
- Oh Gott.
- Gut, er ist nicht so wie die andern Langweiler hier. Er ist sensibel.

Ab diesem Moment wusste ich, dass ich einer abgelehnten Folge von "Sex and the City" war und brach die Unterhaltung ab. Aber es gab einfach kein Entkommen, denn ich wusste, dass die beiden sich gleich in eine Ecke zurückziehen würden, er leicht den Kopf gesenkt mit ihr redet, sie durch seine fettigen Haare krault und das alle anwesenden Weiber zu mir kommen würden, um mich zu fragen, wenn M. sich denn da geangelt habe. Die einzige Chance die ich sah, war mich zu den beiden zu setzen. Nach ungefähr 30 Minuten bin ich in einem leichten Streit mit Parka, der dann weitere zwanzig Minuten später sehr hässlich endet, in dem ich ihm sage, dass er ein ungefickter Milchbubi ist, der nur dann einen hoch bekommt, wenn er sich seine neuen Digimon Sammelkärtchen kaufen geht. M. ist beleidigt. Parka sowieso. Gastgeber verwundert. Mir tut es sofort leid, aber mein Karmakonto wird dann später dadurch wieder ausgeglichen, dass ich mit einem Zahnarzt auf dem Sofa sitze und knutsche und er versucht mir zwischen die Beine zu greifen.

- Schnitt -

Heute morgen klingelt mein Telefon. M. dran. Stocksauer. Parka hat sie sitzen lassen. Gottseidank denke ich, sage aber
- Och
- Ja, och. Und soll ich Dir sagen warum?
Nein, denke ich, die Nachricht an sich ist gut genug. Zuviel Information kann ihr nur schaden, sage aber
- Hmmpf
- Wegen Dir
- Wegen mir? Wegen des Streits?
- Nein, er hat sich in Dich verliebt
- Er hat was? Bist Du Irre?
- Nein. Er sagte mir gestern Abend, dass er keine Lust mehr auf mich habe, weil ich ihm zu glatt sei. Du [hier wurde die Stimme sehr spöttisch] seiest da ganz anders.
- Wie? Anders?
- Du würdest ihn herausfordern und ihn nicht nach dem Mund reden, wie alle anderen
- Ach?
- Ja. Danke dafür
- Blödsinn. Hör mal, das tut mir leid, aber....
- Wie dem auch sei, ich hab ihm Deine Handynummer gegeben.

Eben die ersten SMS. "Hier Tobias. Kann ich Dich mal anrufen?". Meine Antwort "NEIN". Seine Antwort "Dachte ich mir. M. hat mir Deine Adresse gegeben. Schick Dir mal DVDs".

Jetzt hab ich einen Real-Life Troll.

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