"Du mußt auch mal an Kinder denken". Kein Satz den man Sonntagmorgen hören will, nachdem man gerade wach geworden ist und einen Geschmack auf der Zunge hat, als ob man die halbe Nacht einen alten Joghurt gelutscht hat. "Ja, Mama" höre ich sagen, den Kopf wieder aufs Kissen werfend und die Litanei abwartend, die folgen wird. Ich zappe durch Premiere, bleibe bei diesem irren Australier hängen, der aussieht wie ein zu großes Kind und gerade dabei ist, eine Klapperschlange aus ihrer Behausung heraus zu ziehen. Genauso wie diese Schlange fühle ich mich gerade, nur dass meine Mutter nicht weiß, welches Risiko sie da gerade eingeht.
Ich hab nix gegen Kinder. Ich finde sie lieb, putzig, nett, freundlich, unverdorben, lustig und wertvoll. Ich weiß nur, dass ich keine will. Und zwar aus einem einzigen Grund: Sie sind zu laut. Solange sie still und nett rumsitzen und in der Lage sind, sich selbst zu beschäftigen - wundervoll. Ich gehe gerne mit ihnen in den Zoo und freu mich, wenn sie große Augen bei den Löwen machen und kreischen, wenn die Seelöwen rumplantschen. Aber wenn ein Kind schreiend durch die Wohnung läuft, jammert, quengelig und missgelaunt ist, dann fällt meine Toleranzschwelle mit Lichtgeschwindigkeit. Ich neige dann gedanklich dazu einen Bondage-Shop für Eltern aufzumachen. Mit kleinen Gagballs, kurzen Seilen und sowas. Oder frage mich, warum es noch keinen Architekten gibt, der für jedes Haus einen hübschen, hellen, schalldichten, gepolsterten Raum entwirft. Ich schäme mich dann auch immer sofort dafür, und tröste mich mit dem Gedanken, dass mein Becken eh zu schmal ist.
Ich habe Freundinnen, die sind Mütter. Sobald Kind I bis III auf der Welt war, entwickelten sie sich von einer kurznervigen Karrieretussi, die jeden Kellner zur Sau gemacht hat, wenn das Brot auch nur einen Tick zu hart war, die manische Ordnung in ihrer Wohnung gehalten haben, zu einem Menschen, dessen Nervensystem offenbar abgeschaltet wurde. Wenn KevinTorbenPhilippSaskiaMarlene gerade dabei sind sich mit der DVD Sammlung zu bewerfen, sagen sie "Hey, laßt das. Sonst räumt ihr alles auf" und sortieren weiter in aller Ruhe die Buntwäsche. Fünf Minuten später reißen sie hektisch die Fenster auf, weil irgendein Kind den Gasbackofen ohne Feuer angemacht hat, während sie gleichzeitig versuchen ein weiteres Kind davon abzuhalten mit dem Tranchiermesser Fechtübungen zu veranstalten. Alle Kinder, die ich bisher aus der Nähe erleben konnte, waren kleine, kreischende Zeitbomben für meine Nerven.
Wenn ich in Bücher lese, in denen ältere Herrschaften berichten, wie es bei denen so zu Hause zu gegangen ist, dann frage ich mich immer mal gerne: War das früher anders mit der Erziehung? Wenn ja, waren die Kinder dann ruhiger? Wenn ja, warum macht man das nicht mehr so? Gut, zwei Weltkriege lassen an den damaligen Erziehungsmethoden gewisse Zweifel reifen.
Würde ich vielleicht ein Kind haben wollen, wenn es still, ruhig, nett ist und nur ab und zu vor Freude jauchzt, wenn ich eine neue Barbie mit gebracht habe, mit dem es sich für die nächsten vier Stunden in sein Zimmer zurück zieht? Das wäre ja nun auch nicht das wahre. Dann hat man am Ende eine altkluge Tochter die Nonne werden will, und man fragt sich, wie das nun wieder passieren konnte. Ich glaube, ich verbiete meiner Mutter einfach dieses Thema noch mal anzusprechen. Dann erspar ich mir nachdenkliche Sonntage, die dann damit enden, dass ich mir beim Superbowl (Yeah - Patriots!) einen Kübel Häagen-Dazs reinschaufel.
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