belledejour
 

 
Sonntag, 8. Februar 2004

Das Lachen dröhnt in meinen Ohren. So viele lustige Menschen, so viel List um mich herum. Vielleicht liegt es an mir und meiner Wahrnehmung, aber die 30somethings Singles nehme ich nur als eine Bande von Hormonen wahr. Letzlich geht es nur um die Frage: "Willst Du mit mir ficken, wenn ja, wie lang?" Gesteigert von der Frage: "Wenn wir lange genug miteinander ficken, haben wir dann Kinder?"

Ich muss ehrlich gestehen, dass ich, was das Ficken angeht, am Ende einer Beziehung oft gelangweilt war. Man testet seine Grenzen aus, stellt fest, dass man beim Partner an einem Ende angelangt ist, und von da aus bewegt man sich nicht weiter. Also macht man das, was man halt macht: man vögelt, man macht die Dinge, die am Anfang noch neu waren, und endet da, wo alle enden: In der Wiederholung. Und dabei ist es egal, ob man sich dabei in der Missionarsstellunf durchs Bett wühlt oder Fleischerhaken unter die Haut rammt, damit man unter der Decke hängt. Irgendwann wird alles langweilig. Jeder Schwanz ist eben nur so lang, wie er sich anfühlt.
Was einem letzlich nur hilft ist die Flucht nach vorne. Nach der neuen Haut. Nach dem neuem Geschmack. Nach der Lust einer neuen Berührung. Weil die alte schal war, und die Finger auf der Brust sich einen Tick anders anfühlen, als das was man kennt. Sexuelle Coca Cola Light. Emotionale Derivate. Slave to the rhythm. Denn letztlich bleibt das rein und raus immer gleich, nur die Finger, die den Ton angeben, ändern sich.
Deswegen ist die Suche mancher 30somethings so ekelhaft. Sie suchen nur die ewige Wiederholung, im schlimmsten Fall die Wiederkehr von etwas, das sie schon mal hatten. Irgendwann war da mal der Mann, oder die Frau, die sie so ihren tiefsten Inneren befriedigt haben, dass sie danach nur noch nach einem Klon suchen. Soll mich genauso befriedigen, aber vielleicht nicht so ein Arsch sein. Da unterscheiden sich Frau und Mann nicht wirklich. Das sexuelle perpetuum mobile. Die sexuellen Grenzen, die Wasserscheiden der Lust sind gezogen. Irgendwann hat man denjenigen im Bett gehabt, mit dem man an den Grenzen des Wahnsinns war. Irgendwann sagt der Mann neben einem, dass er eben das Gefühl gehabt hat, dass ihm der Brustkorb in tausend Sternen explodiert sei und man denkt schlummernd: "Jau, schon"
Aber leider hat der Typ ein paar Macken. Nicht, dass er zu viel trinkt. Zuviel trinken ist ok. Da war dieser Theatermensch in meinem Leben. Damals hab ich für die Filmförderung gearbeitet, und der Mann war uns als Genie empfohlen. Einsneunziggroß, Figur eines biertrinkendes Wikingers. Ein Berg von einem Mann, der einen bedeckt hat, wenn er auf einem lag. Wie eine warme Decke, die jeden Quadratzentimeter des Lebens bedeckte. Er war meist betrunken. Und wenn er betrunken war, dann war entweder genial und geil oder weinerlich. Aber wenn er mit mir schlief, dann hatte ich das Gefühl, dass ich, wenn wir 80 wären, unsere Hand halten würden, und ohne eine Miene zu verziehen innerlich lachen würden, über das, was da um uns herum passieren würde. Hat ich danach nicht mehr. Danach bin ich auf die Suche gegangen. Nach mehr, nach Extremen, nach mehr Lust oder mehr Schmerz. Wenn man die Perfektion zwischen seinen Beinen und dem eigenen Kopf hatte, ist alles danach nur noch die scheinbare Suche nach der Annährung dessen, was man hatte.
Aber das ist billig. Das ist einfach. Das ist so, als ob man immer nur gleiche Mahlzeit zu sich nehmen würde, nur weil sie einmal den Horizont erweitert hat. So geht das nicht. Genauso, wie man die vermeintliche Unendlichkeit der Lust kennen gelernt hat, muss man lernen, dass man diese Unendlichkeit loslassen muss, um was Neues auf die Welt bringen zu können. Der andere war geil, aber er ist weg.
Aber viele 30somethings machen das eben anders. Sie glauben zu wissen, das ultimativer Sex einen nicht weiter bringt, weil die Suche nach Grenzen einen in einem Moment führt, an dem man sich entscheiden muss. Entweder entscheidet man sich für die Suche nach noch mehr Lust, nach noch mehr Grenzen, oder man läßt die Grenzen so stehen wie sie sind. Und findet sich damit ab. Und so suchen die meisten nur eine Entsprechung ihrer Grenzen. Gerade Männer. Die hoffen, dass sie immer einen Schritt weiter sind, als die Partnerin. Das sie immer noch eine Perversität in der Hinterhand haben, die sie nicht ausspielen müssen, damit sie ihre Mastrubationsphantasie nicht ändern müssen. Meiner Meinung nach die Triebfeder für jedes, sogenanntes, Fremdgehen. "Sie will ja nicht Anal". "Sie mag ja keinen NS". Und - hallo wie einfach - hat "mann" eine Grund sich nach einer anderen umzusehen.
Aber was wenn die Frau dann mal sagt: "Jo, mach mal. Geil" Es ist erstaunlich, wie schnell man "Männer" mit sowas in die Knie zwingen kann. Vielleicht liegt es an der sexuellen Vorbildung mancher Männer, die offenbar aus dem Internet stammt. Da ist es ja leicht dem bezahlten Mädel Anweisungen zu geben, aber was ist, wenn sie vor einem liegt? Naja, nichts. Ich habs ausprobiert. Ich hab mich hingelegt und gesagt: "Just what you want" und nix passierte, obwohl vorher die Schnauze so voll war.

Da merkt man eben, dass leichter ist, dass Herzblut nicht zu verschütten, dass man mit gebremsten Schaum unterwegs ist. Und eben um die Konsequenz einen großen Bogen macht. Lieber an die Erinnerung des Moralfaschismus glauben, als einen Schritt weiter zu machen. Dem Glasregen ausweichen, das Gaspedal eben nicht nach unten drücken. Dann lieber mit der Erinnerung an bessere Zeiten ficken, das Gesicht vertauschen, den die Tränen sind ja schon fest geworden und keine Experimente.
Dacht ich mir heute so, auf der Party, und hab mir an die eigene Nase gefasst.

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