belledejour
 

 
Samstag, 21. Februar 2004

Lustig. Da unten in den Kommentaren macht man sich Gedanken darüber, ob ich nun eine Frau bin oder nicht, aber wie es mir geht, was ich so mache, was ich so empfinde, das scheint von weniger Interesse zu sein. Was meine Theorie zu bestätigen scheint, dass manche Menschen nur Kommentare schreiben, um selber gelesen zu werden. Das ist wie mit den Leserbriefschreibern: Verkannte Schreib- und Meinungsgenies, Menschen, deren Lebenslauf sich leider anderes gestaltet hat, sonst wären sie ja zur Zeitung gegangen. Mein Onkel Wilhelm war so seiner. Pullunder, Krawatte drunter, Bügelfalte, Spiegel Leser, mittleres Beamtentum, Beethoven Verehrer, Disziplin-Fanatiker, süßer Sherry Trinker. Jede Woche setzte er sich am Wochenende hin, und schrieb mindestens einen Leserbrief. An die regionale Tageszeitung, an den Spiegel, die Zeit oder die Hörzu. Ekelhafter Kerl. Verklemmt bis zum Abwinken. Einer, der das Ei mit einem Löffel aufklopft. Schlimm. Vielleicht bin ich in diesem Ding, wie in ein paar anderen, ja etwas idiosynkratisch, aber Eier aufklopfen geht gar nicht. Mag daran liegen, dass ich als Kind immer mit großen Augen Onkel Wilhelm dabei beobachtet habe, wie er mit eingeklemmter Unterlippe feinsäuberlich das Ei rundum bearbeitet hat, so lange, bis er zufrieden war, um dann die in kleine Dreiecke und Quadrate zerklopften Eierschalen mit spitzen Fingern abzog. Er schaute immer sehr kritisch dabei, mit leicht gerunzelter Stirn, und machmal fiel dabei auch eine Haarsträhne, die er von links nach rechts über seine ziemlich große Glatze gekämmt hatte, runter.
Bei uns zu Hause wurde das Ei geköpft. Kurz gezielt, ausgeholt, zack. Ei-Oberteil aus der Schale gepopelt, leeren Ei-Oberteil unter das Ei-Unterteil geworfen, essen.
Wenn ich mal Übernachtungsbesuch habe, der nicht nur einmal zur Übernachtung und nicht nur zur Übernachtung da ist, da kann es passieren, dass ich zum ultimativen Eiertest greife. Sitzt er vor mir und köpft das Ei mit Schmackes, kann er bleiben. Fängt er an zu klopfen, wird es sehr, sehr schwierig. Ich hab dann schnell Angst, dass er sich, wenn wir mal heiraten sollten, schnell zu einem Mann entwickelt, der eine Autozeitung abonniert, oder im Keller Modellbau betriebt. Mädchen wissen, was ich meine.

So - und sollte gerade jetzt zufällig jemand im Starbucks am Hackschen Markt sein, und das hier lesen, kann er mich dabei beobachten wie ich noch die Tippfehler korrigiere, dann klapp ich meinen Laptop zusammen, wälze mich aus Sessel und gehe das machen, was berufststätige Frauen Samstags so machen müssen. Shoppen.

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