belledejour
 

 
Montag, 8. Dezember 2003

U-Bahn oder Bus fahren gehört ja nicht unbedingt zu den netten Dingen im Leben. Vielleicht bin ich da auch schon ein Misantroph. Aber was will man im Winter machen, wenn es für das Fahrrad und den Motorroller zu kalt, der Weg zur Arbeit zu Fuß zu lang aber für das Auto zu kurz ist. Mal abgesehen vom Parkplatzproblem hier und vor meiner Firma. Also - was macht man da? Man stellt sich zwischen andere Menschen und fährt mit den Öffentlichen.

Hübsch, so ein Trip mit seinen Mitmenschen. Da rotzt sich einer die Seele aus dem Leib und man kann die Virenklümpchen schon fast in der Luft sehen und vertraut sehr fest auf sein Immunsystem, dass man am Wochenende auch ausgiebigst gepflegt hat (Massage, Sauna, Dampfbad, Schwimmen, Sex, Massage, Essen, Sex, Dampfbad, Schwimmen, Schlafen in zwangloser Reihenfolge). Man schaut von schräg unten in laufende Nasen und lernt schnell die Menschen in Knüller und Falter ein zu teilen. Knüller ziehen meist aus einer Jackentasche eine Art Papierkugel heraus, die sich nach einer schniefenden Zeit als vormals stolzes Produkt der Taschentuchindustrie entpuppt. Es wird nach einer freien, nicht zu gerotzten Stelle, bzw, noch nicht hart gewordenen Stelle, gesucht und ab gehts. Knüller tragen bequeme Kleidung, kurze Jacken oder Daunenjacken, haben eine Mütze auf dem Kopf und Turnschuhe an.
Falter haben entweder ein einmal, höchstens zweimal benutztes Taschentuch dabei, das fast aussieht wie neu. Oft ist es sogar aus Stoff. Sie tragen korrekte Bürokleidung, haben einen Mantel an (gerne dunkler Stoff) und einen Schal um. In der U-Bahn sind mit Falter natürlich die lieberen Zeitgenossen, auch wenn ich der festen Überzeugung, dass sie den schlechteren Sex haben, bzw. abliefern. Im Bett sind mir schlamperte Genies tausendmal lieber, als überkorrekte Serviettenbügler, denen man erst mal den Kleiderbügel aus der Hose nehmen und erklären muss, dass man nicht für jeden Mist eine formale Stellungnahme abgibt.

Da stellt sich mir sowieso immer die Frage: Was haben diese Männer für Frauen im Haus? Überhaupt keine? Eine Dame, die nach ihrer Ausbildung zur Bürokauffrau dem Herrn bei einer Weihnachtsfeier näher gekommen ist, um dann bald darauf schwanger zu werden? Wie ist das bei denen morgens? Das Kind still am Frühstückstisch, der Mann hinter der Zeitung vergraben. Noch ein Toast? Keine Erdbeermarmelade mehr da? Entschuldigung. Wir haben heute wieder Schwimmunterricht. Wie kann man den Kindern im Winter nur Schwimmunterricht geben. Ach, das wird schon seine Richtigkeit haben, so eine Erkältung schwächt ja nicht. Sei bitte pünktlich heute Abend, ich habe das Treffen meiner Frauengruppe, der Kleine kann nicht alleine bleiben. Und im Hintergrund läuft RTL 104,6. Dann geht er, zieht seinen Mantel an. Nimm einen Schal, Du bist schon leicht erkältet. Jaja. Bis dann.

Solche Gedanken hat man auch nur, wenn man mit Wärme aufgepumpt vor lauter Glückseligkeit morgens den Ipod zu Hause liegen läßt, um die Umwelt an Coldplay sterben zu lassen.

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