belledejour
 

 
Freitag, 2. April 2004

Die Rache eines nettes Wochenendes ist, dass man mehr haben will. Vielleicht ist das auch nur meine Unersättlichkeit. Mein Suchen nach noch mehr. Meine latente Unzufriedenheit, meiner emotionalen Balance und der verzweifelte Versuch, diese auszugleichen. Jedenfalls hab ich mich nach dem letzten Absturz schnell in weiteren wieder gefunden, unruhig, suchend, aufgeputscht, unzufrieden, haben wollend, mehr verlangend. Vielleicht meine Art die Leere zu überbrücken, das nicht lernen wollen weg zu denken.

Es ist ja nicht so, dass ich mit mental gespreizten Schenkel durch die Gegend laufe. Aber 12 Stunden arbeiten, acht Stunden schlafen und die anderen vier Stunden in U-Bahnen, Kassenschlangen und vor dem DVD Player zu verbringen befriedigt mich nicht. Ich bin da undankbar. Ich mag einen netten Job haben, in dem ich gutes Geld verdiene, und ich mag mein Geld für dämliche Dinge zum Fenster raus werfen (DVDs, Schuhe, Taschen, Drogen, CDs, Klamotten in genau dieser Reihenfolge), aber ist ja alles nur Schaufensterkrempel, nichts seelisches. Ich mach das aus Langeweile, ich kann ohne das Leben, ich weiß dass, denn ich hab ja auch vor meinem Job anders gelebt. Rede ich mir gerne ein.

Ich hab immer gerne Grenzen gesucht. Und die Grenzen lagen gerne im persönlichen Erleben. Nicht das vergeistigte, sondern das körperlich, das erfühlbare stand im Vordergrund. Dabei habe ich oft mit mir und meinen anerzogenem, schlechten Mädchengewissen kämpfen müssen. "Das macht man als Mädchen nicht." Der Oma-Spruch ist bis heute durchaus Teil jederfraus Erziehung. Ich hab gegen diese eigenen Grenzen immer gerne gekämpft. Ich hab immer gedacht, dass ich das jetzt einfach mache, weil ich ja später noch nachdenken kann, und später ist vieles nicht mehr so schlimm, wie man es sich vorher zurecht gedacht hat. Also hab ich mir immer neue Grenzen gesucht.

Die erste Grenze waren Drogen. Noch weit vor Sex, oder wie entblöde ich mich innerhalb einer Gesellschaft so weit, dass mich alle mitleidig anschauen. Drogen waren immer geil. Alkohol war die erste Nummer. Dann folgten Joints, E`s, LSD, Speed, Koks. Die Erfahrungen anderer haben mich dabei nie interessiert. Es war mir egal, was andere dabei empfunden haben, wenn sie diese oder jene Droge genommen haben. Ich wollte wissen, was ich empfinde. Ich fühlte mich immer wie Dorothy Parker. Mehr auf der Suche nach den eigenen Grenzen und irgendwo zwischen der Moral und dem Verlangen verloren gegangen. Also waren Drogen-Wochenenden immer mit einem schlechten Gewissen behaftet. Dummerweise kam ich irgendwann auf die Idee, dass man ein schlechtes Drogengewissen damit los wird, dass man in der Gegend rumvögelt. Das war eine einfache Gleichung, weil sinnloser Sex innerhalb meines Wertesystems noch schlimmer war, als Drogen.

Das änderte ich wiederum sehr schnell, als ich feststellte, dass Drogen vor dem Sex bei mir irgendetwas loslösten. So eine Art außergedanklichem Verlangen. Oder eine Art des permanenten Unausgefülltseins, dass ich mit einem Schwanz zwischen meinen Beinen ändern wollte. Und irgendwann war es nicht nur der Schwanz zwischen meinen Beinen, sondern auch die Mischung aus Lust, Schmerz und Angst die mir einen Kick gab, der mich weiter trug als alles andere. Die Rollenverteilung spielte dabei keine Rolle. Ich hab gerne den aktiven Part übernommen, ich war gern auch in der empfangenden Position. Das erste Mal SM war ein doofes 9 ½ Wochen Klischee, mit einen Schal und einem Bettpfosten an einem knirschendem Ikea Bett. Dann folgten schnell Seile, Klammern und andere Dinge, die ich und mein damaliger Freund wechselseitig anwendeten. Wäre auch ein toller Partner gewesen, wenn er nicht so wahnsiing eifersüchtig gewesen wäre.

Aber dank ihm hat sich einiges anders entwickelt in meinem Leben. Ich hab gelernt, dass die Suche nach einem Kick nichts perverses oder ungewöhnliches ist. Dass ich mein Ding leben kann, wenn mir danach ist, und dass ich mich deswegen nicht schlecht fühlen muss. Ich hör in diesem Zusammenhang schon ein paar männliche Leser lachen, von wegen, dass man sich doch nicht selbst so einbremsen sollte, aber ihr seid auch keine Frauen, die als Mädchen erzogen wurden.

Ein großer sexueller Kick, war das Spiel mit Verletzungen. Ich hab eine zeitlang immer ein scharfes Küchenmesser neben dem Bett liegen gehabt und es genossen, wenn ein Mann damit um meine Brüste und meinen Hals spielte. Nicht dass ich auf Blut stehen würde, davon wird mir eher schlecht. Aber der Gedanke der Auslieferung trieb mir den Frühling zwischen die Beine. Auch ein Schal um meinen Hals, der sanft aber bestimmt festgezogen wird, hat was erregendes.
Ich fühle mich deswegen mittlerweile nicht mehr schlecht. Im Gegenteil. Es befreit mich, wenn es denn der richtige macht, dem ich vertraue. Wobei das Vetrauen nicht nur auf der Tatsache beruht, dass er mir nichts antut, sondern mehr darauf, dass er selber Lust dabei empfindet. Das Spiel mit den Grenzen ging irgendwann soweit, dass der Orgasmus eher nebensächlich wurde, solange nur das Spiel stimmte. Und wenn abklingende Drogen dabei waren, war es nur um so besser.

Das hat sich auch nicht groß verändert. Ich bin in dem Sinne spießiger geworden, als daß ich meine Wahllosigkeit im Moment der Lust eingeschränkt habe. Aber das passierte mit den wachsenden Anforderungen auch automatisch, denn die wenigsten Männer können mit sowas wirklcih umgehen. Bei den meisten hat man dann doch die Angst, dass sie in solchen Momenten überschnappen und den Schal um die Nuancen länger zuziehen, als daß es gut wäre.

Zurück zum Anfang. Die Suche, das Warten. Ich war schon immer ungeduldig. Mag an meiner Erzieuhung liegen. Aber wenn ich nicht das bekomme, was ich haben will, werde ich früher oder später unleidlich. Nach dem letzten, bettmäßig eher unbefriedigten Absturz war die Lust natürlich um so größer. Ich bin tagelang mit dem Gedanken nach "mehr" rumgezogen, nur um am Ende da mit der Frage da zu stehen, was da eigentlich für idiotische Schlappschwänze durch die Gegend laufen. Die Sparkassenwerbung hat es gut auf den Punkt gebracht, leider aber den letzten vergessen. Die meisten Kerle denken: "Mein Haus, meine Frau, meine Kinder, mein Boot, mein Orgasmus". Und da hört der Horizont auf. Wenn man den meisten Kerlen mit der Anweisung "Nimm mal die Klammern aus dem Kästchen neben dem Bett" kommt, bricht das lebende Klischee sofort in sich zusammen. Meistens mit der Frage "Oh - tut das nicht weh? Willst du das WIRKLICH?" In dem Moment kann man den Kerl eigentlich nur noch aus dem Bett treten, weil man genau weiß, dass es mit der spielerischen Lust vorbei ist.

Es ist wirklich ein Kreuz, und es ist nicht leicht zu tragen. Von daher glaube ich an die Jesus Sache irgendwie nicht. Der mußte niemit einem Audi TT Fahrer erst ind Bett gehen, weil kein anderer übrig blieb und kurz vor dem erhofften Orgasmus diesem auch noch aus dem Bett werfen. Womit ich meinen Beitrag zum Mel Gibson Film auch abgegeben habe,

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