belledejour
 

 
Montag, 12. April 2004

Irgendwie ist es so, als sein man in einer Zeitblase eingefroren, wenn man zu Hause ist. Man ist nicht erwachsen und wird es wohl auch nie sein, solange die Eltern gesund und munter sind, aber man ist auch kein Kind mehr. Man ist ewig irgendwas um die 18, grad aus dem gröbsten raus, aber immer noch unter der erzieherischen Fuchtel der Eltern. Das war an diesem Wochenende nicht anders. Nehmen wir mal die Sache mit dem ins Bett gehen. Das Wiedersehen mit meinen Eltern an Gründonnerstag war sehr feucht und fröhlich. Karfreitag waren sie deswegen ein wenig angeschossen und gingen früh zu Bett. Nicht ohne einen kritischen Blick auf die Uhr zu werfen, als ich mich gegen halb elf noch im Wohnzimmer lümmelte und schon gar nicht ohne den leicht schnippischen Kommentar: "Bleib nicht so lange auf, wir wollen morgen noch einkaufen.". Ja, Mama. Da fragt man sich, wofür man eigentlich vier oder fünf Jahre seines Lebens mit handfester Rebellion verbracht hat, um den Eltern zu beweisen, dass man ganz toll alleine auf sich aufpaßen kann. Ja, ich weiß: handfestes Klischee, über dass ich hier schreibe.

Das traurige an Klischees ist ja, dass man ihnen nicht entrinnen kann, weil man durch die eigene Vergangenheit an sie gekettet wird. Wenn man 15 ist, gibt es leider noch nichts eigenes, sondern das, was einem die Eltern beigebracht, oder die Medien erzählt haben. Da sitzt man automatisch in der Klischeefalle. Ich möchte nicht wissen, wieviele Spät68er damals das Haus gerockt haben mit ihrer Idee, nach Italien zu gehen, um sich heute zwischen toskanischen Wein und Ziegenkäse in einer derartigen Klischeefalle wieder zu finden, das man schon keine Witze mehr drüber machen kann, ohne Gefahr zu laufen als Vollidiotin dazu stehen, weil man Witze über derartige Klischees macht.
Aber den Klischees aus der Jugend kann man aber trotzdem nicht entkommen. Die erste Liebe, der erste Kuss, der erste Sex - alles wurde, damals unbemerkt, von der großen Klischeekontrollmaschine gesteuert. Freund? Muss so aussehen wie XY. (XY=gerade in dem Jahr auf der Bravo abgedruckter Popstar, bzw. der Typ aus der Parallelklasse mit der Vespa). Wenn man zum Knutschbesuch war, erwartete man, dass der Kerl eine ordentliche Knutschkassette zusammengestellt hatte. Licht aus, Kerzen an, Apfeltee zur Seite und im Hintergrund plärrten Lloyd Cole und Konsorten. Nicht zu vergessen das obligatorische "Why" Plakat an der Wand. Komischerweise ging ich immer zu den Jungs um zu knutschen. Selten kam einer zu mir. Was auch daran gelegen haben mag, dass unser Haus ein Stück außerhalb liegt. Mein frühes Sexualleben bestand aus Knutschen auf dem Schulhof und knutschen auf Geburtstagspartys. Achja, und Klammerblues tanzen. Ihgitt. Erinnerungswelle. Kennt das noch jemand? Die Jungs, die nach fünf Minuten beim Tanzen anfingen das Becken leicht nach hinten zu drücken damit man ihre Erektion nicht bemerkt? Ich hab einem mal das Becken wieder zurück gedrückt, teils weil ich nicht wußte, was er da machte, teils weil ich es affig fand. Der arme Kerl ist hochrot angelaufen, fing an zu schwitzen und nagte sofort an meinem Hals, während ich überlegte, wie ich ihn wieder sanft los werden könne. Eine paar Minuten später saß ich mit meinen Freundinnen in einer Ecke und berichtete, was ich da gerade gespürt habe. Gackernd natürlich. Pubärtierende Mädchen können sich ja nicht anders unterhalten und ich kann Jungs im gleichen Alter verstehen, wenn sie das Gefühl haben, dass man a) schlecht über sie spricht und man b) die gackernden Hühner eigentlich nur notschlachten kann.
Den ersten engeren Kontakt Sex hatte ich natürlich auch auf so einer Party. War die Party von der Tochter des örtlichen Metzgers und ihr Bruder war derjenige, der mich erst mit Alkohol, und später dann mit sich versuchte vollzupumpen. Beides mißlang grandios. Mir war schlecht und ich wollte mit Sicherheit nicht mit einem Jungen ins Bett gehen, den ich zwar sehr mochte, aber mit dem ich mir keine Beziehung vorstellen konnte. Er war zu aufgeregt und er kam in meiner Hand, was ich spaßig fand, was wiederum wohl etwas mit meinem alkoholisierten Zustand zu tun hatte. Ich schnupperte sogar an seinem Sperma und war ganz fasziniert von Farbe und Konsistenz, während er hektisch rum lief und Tücher suchte. Das Erlebnis war jedoch faszinierend. Ich traute mich nicht auf nur irgendeinem davon zu erzählen....

Da - schon wieder. Meine Mutter sieht mich gerade, wie ich vor dem Laptop hocke und sagt: "Anne, lass es mal nicht zu teuer werden. Außerdem essen wir jetzt". Gut, wir essen jetzt. Vielleicht später mehr aus meiner Jugend.

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