belledejour
 

 
Der Abend mit K.

K. hat angerufen. "Los, Miststück, beweg Dich." Er darf das. Besonders, wenn es darum geht mich nach 24 Stunden Dauer DVD Berieslung vom Sofa zu holen. Samstag Abends weggehen. Na ja. Eine Stunde später stehe ich in der Bar, eingezwängt wie eine Olive im Glas. K. reicht mir einen eiskalten Wodka nach dem anderen. Er weiß, was mir gut tut und wie man in solchen Situationen meine Laune pflegt. Auf seinem Weg nach unten wird der Wodka nicht nur langsam warm, er knipst auch noch ein paar andere Dinge an. Das kann heiter werden, dass merk ich schon.

K. sieht gut aus. Er bekommt langsam graue Schläfen, aber die stehen ihm gut. Besonders in diesem warmen Licht, zusammen mit seinem schwarzen Anzug von irgendwem und dem weißen Hemd. Sehr, sehr gut. Dummerweise ist er ein Arschloch. Man kann mit ihm weggehen, aber mehr nicht. Er fickt alles, was auf seine Visitenkarte, sein Cabrio und sein leeres Loft steht. Und das sind sehr, sehr viele. Und die, die sich nicht auf direktem Weg rum kriegen lassen, die werden, wenn es passt, mit Koks gefügig gemacht. K. ist eine wandelnde Line. Egal wie spät es ist, egal wie viel Lines er schon am Abend geworfen hat, er schafft es immer wieder noch eine irgendwo her zu zaubern. So was imponiert kleinen Mädchen, besonders, wenn sie schon drauf sind. Deswegen sind seine Frauen auch selten älter als Mitte 20. Bitte. Wenn es Spaß macht. Die grauen Schläfen helfen da sicher und ich bin mir jetzt gar nicht mehr sicher, ob die wirklich echt sind. Ich bin ja auch drauf reingefallen. Ich war so dicht, dass ich mit ihm an der Bar stand, eine Hand in seiner Hose, er unterhielt sich mit einem Kumpel. Ich wollte ihm, zugedröhnt wie ich war, einen blasen. War ihm zu peinlich. Handjob wollte er auch nicht. Der Flecken wegen. Später hat an mir rumgeschraubt, wir hatten Sex, ich kann mich kaum erinnern, außer, dass ich am nächsten Morgen extremst angewidert von der Aktion war und sein Bad vollgekotzt habe. Ich trinke mehr, mir ist nach ein wenig Wahnsinn. Den kann K. nicht liefern. Er redet, wie meistens, langweiligen Blödsinn. Was mach ich eigentlich hier?

Er zerrt mich raus, wir gehen um die Ecke. Kellerbar, illegal. Das es so was in Mitte noch gibt. Erstaunlich. Achso. Da liegt Geld auf den Tischen. Hier wird gespielt. Wie K. da nun wieder rankommt. Alles feine Leute. Keine bärtigen Jugos mit Gel in den Haaren. Nein. Guter Zwirn, Zigarren, teuer, teuer, teuer. Ich werfe mich in eine Sitzecke. Angeschlagen bin ich, fällt mir auf. K. schwätzt weiter. Ein Kellner stellt eine Flasche Wodka auf den Tisch. Ich glaub, ich spinne. Flagmans Wodka. Und dann auch noch der wirklich gute. Alles klar. Ich bin in einem Hinterhofladen der Russen Mafia. Für einen Moment überlege ich, ob ich gehen soll. Aber wer bin ich, dass ich funktionierende Wirtschaftssysteme kritisiere und außerdem: Flagmans. Ich nehm zwei hintereinander. K. legt seine Hand auf mein Bein, ich schubs sie weg. Das machen wir dreimal. Dann geht K. aufs Klo. Ich schau mich um. Der Laden ist gerammelt voll. Auf den Tischen bündelweise Geld. Die Kerle ziehen die Euroscheine in Rollen aus der Hosentasche. K. ist wieder da. Drückt mir einen weiteren Flagmans in die Hand. Dieses Arschloch. So langsam wird mir klar, was ich hier soll. Vorzeigefötzchen spielen. "Los, spiel", sag ich zu ihm. Er schaut mich erstaunt an. "Wie jetzt?". "Na, da." Ich wedel in Richtung der Tische. "Mach schon."

Eine halbe Stunde später sind wir wieder draußen. Wie gut, dass ab einem Verlust von 350 Euro die Drinks umsonst sind. K. hat 500 verloren, ich hab ihm noch meine 200 aufgedrängt. Jetzt sind wir beide pleite und ich amüsiere mich königlich. K. ist stinksauer. Ich hätte ihn genötigt, dass zu machen. Ich sei ja verrückt. Ich lache und stolpere in eine Bank rein. Mehr Geld ziehen. Gut, am Tisch, hab ich ihn angestachelt, seinen Hintern gestreichelt, ihm ins Ohr gegurrt. So wie ich das in schlechten Filmen immer gesehen habe. Hat wundervoll geklappt, er hat sich um Kopf und Kragen gespielt. Und er hat wirklich keine Ahnung von Black Jack. Bei 16 noch eine Karte zu nehmen. Ich musste mir auf die Lippen beißen, um nicht im Laden laut raus zu lachen. Das mach ich jetzt. Kichernd und schwankend tippe ich meine Geheimzahl ein und so langsam merkt er, was da gespielt wurde. Er zieht wortlos sein Geld, schaut mich böse an und sagt "Ich geh mich jetzt amüsieren. See you". See you. Lachhaft. So ein Pimpf.
Mir ist ganz und gar nicht nach meinem Bett. Jedenfalls nicht alleine. Ich stolpere noch mal in die mittlerweile etwas geleerte Bar, in der der Abend seinen Anfang nahm. Schnell noch einen Wodka. Ich werf mich samt Mantel in eine Ecke, Aschenbecher auf dem Bauch, Glas in der Hand. Nach dem guten in dem Russen-Club schmeckt der hier wie Spülwasser. Na ja. SMS an den Lebensgefährten, der auf einem Weiterbildungsseminar für Makler ist, wo er wahrscheinlich gerade die kleine aus München flachlegt. Noch ein Wodka. Einen Betrunkenen abgewiesen. Der Barmann ist nett, aber wie scheiße ist denn das bitte, wenn man den Barmann anmacht. Geht gar nicht. Überhaupt geht hier in diesem Laden gar nichts. Ich verabschiede mich, falle vor der Tür in ein Taxi. Und treffe die falsche Entscheidung.

Eine Stunde später merke ich wie der Wodka in meinem Magen rumschwappt. Ich hab von meinen 200 Euro immerhin 150 wieder gewonnen. Hat mich eine Stunde gekostet. Neben mir sitzt ein Typ, wohl ein Ukrainer, sagte man, jedenfalls sitzt er neben mir und massiert meinen rechten Oberschenkel. Na, massieren ist übertrieben. Er walkt ihn wie ein Stück Teig. Macht mich nicht geil. Ich bin gerade geil drauf meine gesamte Kohle wieder zu holen. Die anderen Typen schauen an mir vorbei, seitdem der Typ neben mir sitzt. Wahrscheinlich ist der ne bekannte Nummer in der Russen-Szene, was weiß ich. Mir geht es ums Geld. Ich bin gerade extrem geldgeil, denn es gehört mir ja auch. Mein Geld, ihr Ficker. Mit einem 15er Blatt gewonnen. Jetzt noch 10 Euro, die fehlen. Der Typ walkt sich langsam nach oben und rückt näher. Neuer Wodka. Jetzt wird es langsam unübersichtlich. Ich stehe abrupt auf. Der Typ fällt fast vom Stuhl und die anderen lachen. Nicht gut. Ich geh aufs Klo. Die anderen Weiber schauen mich nicht an. Nicht gut. Nicht gut. Nicht gut. "Wer issn das da neben mir" will ich wissen, keine sagt was, nur eine zischt "Verpiß dich". Ja. Ok. Gehen. Gut. Vielleicht noch was von Ks Zeug bevor ich gehe? Kann ja nicht schaden.

Wieder draußen. Geil. Mein Platz am Tisch neben dem Ukrainer ist belegt. Geil. Geil. Geil. Ich schleiche mich zur Bar, zahle, nicht ohne noch einen Flagmans zu genießen. So schnell werde ich hier nicht mehr auftauchen, dass ist sicher. Plötzlich zwei Hände an meinem Hintern, eine Wodka/Rauchfahne an der Wange. Natürlich der Typ. Scheiße. Scheiße. Scheiße. Ich dreh mich um und automatisch legt mir seine Pranken auf die Brüste. Ich schau ihn sehr böse an, er weicht ein wenig zurück, die Hände 2 Zentimeter von meinen Brüsten weg. Schaut mich belustig an und schwankt ein wenig. Im Hintergrund werfen die andern Weiber Dolche. Ich sag ihm "Wenn Du mich ficken willst, dann küss meine Stiefel." Er macht große Augen und sagt "Wenn ich Dich ficken wollte, dann mach ich das". Ok. So kommen wir nicht weiter. Also Staring-Contest. Da bin ich gut drin. Vor allem wo ich mich gerade frisch gemacht habe. Er schaut böse, ich schau böse. Er fängt an wieder meine Brüste zu nehmen. Ich schau böse und weise mit dem Zeigefinger nach unten auf meine Schuhe. Sein Griff auf meine Brüste erhöht sich jetzt von sehr fest, zu verdammt ziemlich fest. Ich schüttel mit dem Kopf und zeig wieder auf meine Stiefel. Dann leckt er mir einmal über die Wange und geht lachend weg. Einfach so. Geht wieder zu seinen Kumpels und lacht. Soviel Glück an einem Abend kann man eigentlich nicht haben. Ich trinke den letzten Rest Flagmans.
Draußen ist die Straße leer. Meine Brüste tun ein wenig weh. Ich will ins Bett. Im Taxi eine SMS: "Denk an Dich. Paß auf dich auf". Schon passiert.

Montag, 10. November 2003, 18:41, von anne | |comment

 
plakativ
Hmm, wenn man das liest fragt man sich im Ernst, sind alle Menschen (Männer wie Frauen) so einfach gestrickt. Eigentlich ein Abend ohne Überraschungen, oder? Jeder hat sich so verhalten, wie man es von ihm erwartet. Das liest sich alles so plakativ, fast wie in einem mittelmäßigen Roman (nichts für ungut), oder ist das Leben ein mittelmäßiger Roman !?

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Ach, das liegt auch am Schreiben. Ich kann nicht jede Regung, jedes vielleicht auch anders sein hier rein packen. Deswegen wird es einfach. Plaktiv. Platt. Zudem hab ich den Abend einfach nur aus meiner, etwas benebelten Sichtweise beschrieben. Das Leben ist nicht so platt. Jedenfalls nicht immer.

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@ wollmilcheber

Ob das Leben ein mittelmäßiger Roman ist?
Nur wenn Sie Glück haben.

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@etcpp: UInd wenn man kein Glück hat, ist das Leben dann Barbara Cartland oder Steven King?

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@anne: Vermutlich eher ein Otto-Katalog.

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@etcpp
Neigen Sie zu Depressionen?

Otto-Katalog? Erinnert mich so an "Better home and garden" in dem Musical "Unser kleiner Horrorladen" . Lässt mich gerade darüber nachdenken, ob mir davon übel werden soll oder nicht

@anne
Ich plädiere für Steven King :-)

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Das mit dem Otto Katalog finde ich furchtbar. Nicht so schlimm wie Neckermann, Klingel oder Baur, aber so die Richtung. Dann lieber ein Leben wie ein mitelmäßiger Roman. Bescheidenheit und Demut.

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@wollmichleber:

Die Frage bezog sich auf eine Analogie für eine unglückliche Alternative, meine Antwort eben darauf, nicht auf meine eigenen Lebensumstände.

@anne:

Ein Leben ohne Irritationen kann ich mir schwerlich als lebendig vorstellen. Die teilweise groteske Dramaturgie des Lebens ist mir lieber, selbst King mag besser sein, als pures Funktionieren – Otto-Katalog eben: nicht grottenhässlich und nicht schön, gerade noch erträglich, existent; mehr nicht.

Aber: Bescheidenheit und Demut? Das klingt ja fast, als wäre Ihr Nickname gehackt worden...

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@etcpp Ihre Antwort bzgl. Ihrer Lebensumstände beruhigt mich.

@Anne Wie, Bescheidenheit und Demut? Was nun Großstadtlöwin oder doch der idyllische Bauernhof auf dem Lande, oder Beides?

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Ach, ich kann das schon, dass mit der Bescheidenheit. Mit der Demut tue ich mich deutlich schwerer. Eher mal wieder die Bratpfanne des Leben überbekommen, als sich klein zu machen. Narben bekommt man von beidem.
Aber das mit dem Bauernhaus, nein. Nix für mich. Wenn es in Südfrankreich steht, einen Zugang zum Meer hat. Ok. Fürs Landleben bin ich nicht gebaut. Hab auch nix im Kleiderschrank dafür. ;-)

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@Ja, Narben bekommt man von beidem. Die einen innen, die anderen außen.

Südfrankreich? Da gibts geile Hütten. Hab in sowas mal meinen Urlaub verbracht. Erinnert mich an Pinienduft, Salzwasser, Zickaden, Sternenhimmel und gutes Essen, hmpf. Schluss jetzt damit, das muss noch warten *g*.

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Das ist Rock.

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Shit, das kommt mir alles ziehmlich bekannt vor... lach. Außer dass ich wahrscheinlich in der Alkoholgenerierten Geilheit mit einem der Beiden mitgegangen wäre....Mist.

Und was heißt hier mittelmäßiger Roman? *lach* Das ist das Leben!

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Belledejour sucht den Herrn
Fazit: und dieser küßt die Stiefel.

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