belledejour
 

 
Freitag, 31. Oktober 2003
Wenn die Nachbarn 53mal hämmern

Neue Nachbarn. Seit dem Wochenende. Nette Menschen, doch, doch. Stellten sich mir am Sonntag Abend vor, nachdem ich zwei Tage ungeduscht im Bett lag, eine Stimme aus mir herausbrach, die von ganz weit unten kam, nein, von sehr weit unten und die auf ihrem Weg noch dreimal kehrt gemacht hat um am Ende erschöpft doch anzukommen, und einer Frisur, bei der mein Friseur Tränen der Verzweiflung bekommen hätte. Oder mich verstoßen. Wer weiß das schon. Jedenfalls machte ich derartig derrangiert die Tür auf, als es klingelte. Warum ich das gemacht habe? Weil ich eigentlich die Nummer 73a erwartet hatte (geröstetes Hühnerdings mit irgendwas) und da muss man ja leider die Tür aufmachen, aber dann steht da ja immer ein kleiner Chinese/Koreaner/Vietnamese/Taiwanese/Kambodschaner, dem man schon im Gesicht ansieht, dass er deutsche Frauen für wiederwärtige, arrogante, faule, zickige, amoralische Schlampen hält, womit er wahrscheinlich meistens auch noch recht hat. Und ich bürste nicht stundenlang meine Haare, nur um jemandes Vorurteile ins Wanken zu bringen.
Wie groß die Überraschung meiner Nachbarn war, als sie mich mit Bademantel , einem Storchennest auf dem Kopf, ausladenden Fellpantoffeln (getigert) an den Füssen und einem Zwanzig-Euro Schein in der Hand antrafen, kann ich nur grob schätzen. Meine war jedenfalls groß. Immerhin konnte ich mich gerade eben noch retten und die Situation mit einem "Sie bringen mir wohl nicht Nummer 73a" abschwächen. Dachte ich. Leider war der Humor nur auf meiner Seite. Ein gequältes "Oh -wir stören wohl. Wir wollten nur Hallo sagen, weil wir die neuen Nachbarn sind" kroch über die schmalen und leider mit leicht pinken Lippenstift versehen Lippen einer Frau mit blonden Pagenschnitt, während der Kerl versuchte mir nicht auf die Fellpantoffeln zu starren. Immerhin weiß ich jetzt, wie man Männern davon abhalten kann einem auf die Brüste zu starren.

Das war schon mal nix. Die folgende Tage hörte ich meine Nachbarn nur bohren und hämmern. Allerdings fiel mir zum ersten Mal auf, wie hellhörig die Wohnungen zum direkten Nachbar sind. Die Vormieterin war eine verhuschte Lehrerin, die sich wahrscheinlich nur schwebend bewegt, oder die Wohnung mit Eierschachteln abgedämmt hatte. Gehört hab ich von der jedenfalls nie was. Das hat sich nun geändert. Deutlich geändert. Dramatisch geändert. So ab halb elf Abends unwideruflich geändert. Denn das nachbarliche Schlafzimmer grenzt an meins, und das Kopfende ihres Bettes steht ungefähr fünf Zentimenter von meinem entfernt, getrennt nur durch Ostblocksteine und einer dünnen Tapete.
Es kam, wie es kommen mußte. Nachdem die Umzugserschöpfung abgeklungen und alle Nägel genagelt waren, dachte der Herr des Hauses wohl, es sei an der Zeit zu Abwechslung seine Frau zu nageln. Wie groß mein Schock war, als ich, missmutig meinen Tee trinkend und gelangweilt den Spiegel durchblätternd, die Stimme meines Nachbarn vernahm, der laut stöhnend zu seinem Weib sprach:" Oh ja, laß Dein Höschen runter.", kann man gar nicht beschreiben. Erst dachte ich, ich hab mich verhört. Reste des Fiebers. Zu früh wieder arbeiten gegangen. Grüner Tee Rausch. Es blieb dann auch erstmal still. Drei Minuten später rauschte es wieder durch die Wand "Oh, ja [irgendwas unverständliches], jetzt leck ich Dich."
Ok. Immerhin nicht verrückt geworden, dachte ich, freute mich kurz, als es eine Minute später anfing zu hämmern. Das Bett der netten Nachbarn steht offenbar nicht besonders fest oder ist minderer Qualität, jedenfalls schlug es rhythmisch gegen die Wand. Die Hoffnung, dass die beiden mal die Stellung wechseln, wie es jeder vernünftige Mensch mal macht, zerschlug sich jedenfalls schnell. Hektisch suchte ich meinen CD Player, den ich unter einem Berg aus FAZ, SZ und Zeit fand, als mit parallel einfiel, warum die Batterien auf der Kommode im Flur liegen. Was macht man da? Musik aufdrehen? Ist das nicht ein bißchen wie "Wäwäwä - Ich kann euch ficken hörenI"?
Hab ich es mir halt angehört. Das "Uh" und "Ach" und "Ja, genau so" und "Schneller" und "Nicht so schnell" und "Ja, genau da" und "Oh" und "Ohja" und "Ja, küss meine Brüste" (?) und "Warte auf mich" Letzteres war dann nur ein Wunsch. Weil das langweilig war, weil ich schon die Augen verdreht habe, als ich "Küss meine Brüste" gehört habe, hab ich halt das Klopfen des Bettes mitgezählt 53mal. Gestern waren es nur 40mal. Eben, wenn ich richtig gezählt habe, 25. Das ändert aber nichts an dem "Oh" und an dem, ungefähr mittig plazierten "Küss meine Brüste".

Ich hab jetzt ein wenig Angst, sollte ich in dieser Wohnung doch mal wieder die Kissen mit jemanden zerwühlen. Das wird mit sehr großer Sicherheit zu interessanten Begegnungen im Treppenhaus führen, denn ich befürchte, dass zwischen unseren Wünschen und der Art der Diktion ein nicht zu unterschätzender Unterschied besteht.

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