belledejour
 

 
Sonntag, 12. Oktober 2003

Schon komisch. Gestern stand ich mit einem nicht eben unattraktiven Mann in einer winzigen japanischen Bar. Wir schütteteten Pastis in unsere Hälse, als gäbe es kein Morgen und dabei wanderten die Blicke immer mal wieder über den Körper des anderen, um sich am Ende der Bewegung wieder in den Augen zu verankern. Es lag ganz klar was in der Luft und das war kein Waldmeisterduft. Just in dem Moment, in dem ich seine Vorlieben im Bett (siehe irgendein Posting weiter unten) abklappern wollte, klingelte mein Handy. Eigentlich wäre das Abklappern der Vorlieben gar nicht mehr nötig gewesen. Es interessierte mich nach ungefähr einem Liter Ricard wirklich nur noch am Rande. Wahrscheinlich hätte es mir eh gereicht, wenn man sich die nächste Stunde in einer dunklen Ecke geküsst hätte, nur unterbrochen von weiteren Pastis und einer gelegentlichen Rauchpause.
Aber das Handy klingelte ja, und wer war dran: Hamburg, vulgo mein Lebensgefährte. Er hat einen siebten Sinn dafür, wann die dunkle Seiten in mir langsam die Kontrolle übernehmen. Manchmal macht es ihm nichts aus. Offenbar im Gegenteil. Dann grinst er mich an, wenn ich mal wieder bei ihm bin und ich muss berichten. Er hört es sich an und in 99 von 100 Fällen landen wir im Bett. Oder es interessiert ihn nicht. Verstanden hab ich das nie, aber wahrscheinlich nimmt er sich ebenso Freiheiten, ich denke da nicht drüber nach.
Ab und an packt ihn aber die Eifersucht. Dann sitzt er wohl angespannt und nervös zu Hause und würde gerne wissen, was seine Partnerin da gerade treibt. Dann tigert er auf und ab und überlegt, ob er mich noch anrufen kann, ob es nicht zu spät ist, oder ob es lächerlich ist.
Natürlich riss mich das gestern aus meinem Abend. Da konnte er fröhlich tun, mir lachend sagen, er wolle mir nur noch einen schönen Abend wünschen. Ich weiß doch, was da im Moment in ihm kämpft.

Das blöde daran: Jetzt mußte ich eine Entscheidung treffen. Mach ich weiter? Laß ich es? Und wenn man feststellt, dass man eine Entscheidung in solchen Sachen treffen muss, dann ist die Sache eigentlich schon vorbei. Wenn es nicht mehr fließt, wenn die Dinge nicht alleine passieren, wenn Hände nicht automatisch über die fremde Haut streichen und Lippen sich langsam und zögernd finden, dann kann man es vergessen.
Auf der anderen Seite: Mein Leben, meine Regeln. Und dieser wirklich nette Mensch, der schon an meinen Haaren fummelte.

Später, viel später hat er mich zu meinem Hotel gebracht. Wir gingen an den Resten der Nacht vorbei, die in irgendwelchen Hauseingängen lagen. Der Pastis schwappte in meinem Kopf, aber sensorisch war leider alles klar. Trotz Rauch, trotz Döner-Geruch konnte ich seine Haut förmlich riechen. Eine sanfte, warme, leicht herbe Mischung und genau das wollte ich riechen, wenn ich einschlafe. Aber an Schlaf war wohl nicht zu denken, wenn ich ihn mit auf mein Zimmer nehmen würde.

Frühstück. Kaffee schmeckt metallisch. Ei nur halb gegessen, weil zu hart. Die Marmelade tropft vom Brötchen und bildet kleine Blutflecken auf dem weißen Porzellan. Zwei SMS auf dem Display. Hamburg hat sich entschuldigt. So ein Quatsch. Die zweite: "Hätte gerne noch gestern ein wenig weiter gemacht". Klar. Kurz vor dem Hotel wurden wir selber zu den Resten Nacht. Ein freier Hauseingang ist in Frankfurt nachts offenbar sowas wie ein Glücksfall. Wir drängten uns rein und während er mein T-Shirt hochschob überlegte ich kurz, ob die Dinger in meinem Rücken die Klingelknöpfe sein. Sein Mund auf meinem Hals, eine Hand auf meiner rechte Brust, eine schob den Rock hoch. Seine Haaren waren hinten zu kurz, als dass ich mich hätte festhalten können. Hätte ich aufpassen sollen, ich mag keine Männer mit so kurzen Haaren. Für einen Moment überlege ich, ob ich jetzt wirklich mit meinem Rücken rhythmisch mehrere Klingeln drücke. Gefällt mir. Auch das warme Gefühl in mir. Ich knöpfte ein wenig sein Hemd auf, weil ich doch den Geruch haben wollte. Ein tiefer Atemzug, dann reicht es mir. Die Sensoren haben ihre Befriedigung. Ich hab die Wärme gespürt, ich hab den Geruch gespeichert. Es reicht. Ich bin eh zu betrunken, um an der Sache wirklich Spaß zu haben.

Weiter machen. Nein. Mit dem Rest des Brötchens wische ich die Kleckse weg. Der Teller ist sauber.

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